Wie bereits in unserem kürzlich veröffentlichten Blogbeitrag erwähnt, erörtert das White Paper “Automotive 4.0 – Sensing the Road Ahead for Tier 1 Suppliers” die Auswirkungen der aktuellen Automotive-Marktkräfte auf die Tier-1-Lieferanten. Unser heutiger Blog befasst sich mit dem Megatrend des Connected Car und zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten dieser Technologie.
Der Markt bestätigt die Wichtigkeit des Connected Cars
Obwohl die Vernetzung des Automobils schon seit längerem vorangetrieben wird, gewinnt das Thema weiter an Dynamik, mit vielschichtigen Aussichten für die Zukunft und vielen innovativen Veränderungen. Während es bei Neuwagen in der Oberklasse bereits heute gebräuchlich ist, dass diese vernetzt sind, wird sich die Durchdringung in der Kompakt- und Subkompaktklasse noch weiter verstärken. Nach Expertenmeinung bewegt sich das Wachstum bis zum Jahr 2020 auf über 70% vernetzter Neuwagen zu.
Dieser Trend zeigt sich auch deutlich in den Innovationsbestrebungen der Automobilhersteller. BMW beispielsweise hat erst letzten September auf der carIT Messe von einer Connected Drive Revolution gesprochen. Auch der VW Konzern hat im Zuge des Zukunftsprogramms „Together – Strategie 2025“ verkündet, eine 13. Konzernmarke zu etablieren, welche den Geschäftsbereich der Mobilitätsdienste bedienen soll und damit maßgeblich auf vernetzte Fahrzeuge setzt. Einige Unternehmen, wie beispielsweise die Renault-Nissan Allianz haben im Bereich vernetztem Fahren bereits Kooperationen mit wichtigen Partnern geschlossen. Im Falle von Renault und Nissan wurde eine solche Partnerschaft mit Microsoft eingegangen und somit wichtiges Wissen in die Allianz gebracht.
Die Wichtigkeit, mit der OEMs diese Entwicklung behandeln, zeigt ebenfalls, wie groß die Chancen der Tier-1-Lieferanten in diesem Bereich sind. Mit vorhergesagten jährlichen Wachstumsraten von 40-50% ist der Connected Car Markt nicht zu vernachlässigen.
Die Reise des Connected Car
Vernetzt zu sein wird in der heutigen Gesellschaft immer wichtiger. Nicht umsonst gibt es bereits mehr Mobiltelefone als Menschen. Nur verständlich, dass dieser Trend auch in der Automobilindustrie unumgänglich ist. Angekündigt hat sich dieser Wunsch nach Verbundenheit zur Außenwelt während des Fahrens schon früh. Angefangen mit dem Radio, das die neusten Nachrichten ins Auto brachte, über riesige fest installierte Autotelefone bis hin zu heutigen Connected Cloud Lösungen der Automobilhersteller.
Auf Basis der, sich in den 90er Jahren rapide verbreitenden Mobilfunktechnologie entwickelte sich die Telematik, die zu Beginn besonders im Flottenmanagement in der LKW Logistik eingesetzt wurde und heute immer mehr Einzug in die PKWs findet. Den Startschuss für die eigentliche Entwicklung zum Connected Car gab es in den 2000ern, als erste Infotainment Systeme Einzug in das Auto erhielten. Hierfür wurden schon damals Dienste von Content Providern aus dem Internet, wie zum Beispiel Wettervorhersagen, genutzt, um Informationen im Auto abbilden zu können. Dieses System legte die Grundsteine für die heutige Nutzung proprietärer Plattformen. Diese Plattformen, über die OEMs Apps und Dienste zur Verfügung stellen, sind heute die vorherrschende Technik. Hierbei ist zwischen Premiumanbietern, welche eigens entwickelte proprietäre Plattformen und Cloud Lösungen nutzen, und Anbietern mittlerer und unterer Marktsegmente, welche oft Plattformlösungen von Telematic Service Providern (TSP) nutzen, zu unterscheiden. Doch egal ob selbst entwickelt oder von IT Dienstleistern zugekauft, das System ist ähnlich. Über die OEM gestützte IT Infrastruktur wird über das mobile Netzwerk Verbindung zur Car IT aufgenommen und somit werden Informationen ausgetauscht und kommuniziert. Beispiele hierfür sind die BMW Technologie Connected Drive, Audi Connect oder Ford SYNC. Die Kommunikation ist hierbei direkt über die, im Auto befindliche Infotainment Technik möglich oder über diverse mobile Schnittstellen, wie das Smartphone oder Tablet, die das Auto als mobilen Hotspot nutzen.
Die Kontrolle über die IT Infrastruktur und deren Inhalte, sowie die Qualität selbiger liegt beim OEM. Dieser betreibt die Kommunikationsplattform entweder selbst oder kann über den TSP Einfluss auf Inhalte und Funktionen nehmen und kümmert sich darüber hinaus um Faktoren wie Datensicherheit, Cyber Kriminalität und Haftungsansprüche.
Der Grad der Vernetzung des Autos wird weiter voran schreiten. Laut Ricky Hudi – Leiter der Entwicklung Elektrik/Elektronik bei Audi – haben nahezu 90% der Innovationen im Fahrzeug Bezug zur Elektronik. In Zukunft soll sich das Auto noch mehr auf die Bedürfnisse und Stimmungen der Fahrer einstellen.
Auch der CEO von Ford, Mark Fields hat zum Thema Connected Car gesagt, es geht darum, die Art zu verändern, wie sich die Welt bewegt (“changing the way the world moves”).
Doch wie wird sich die Technologie verändern? Durch Kooperationen von Herstellern wie BMW und Ford mit Amazon und deren Audio gesteuerten Lautsprechern? Amazon Echo geschieht derzeit eine erste Öffnung der proprietären Systeme der OEMs. Jedoch liegt auch hier die Entwicklung der Apps, die die Kommunikation mit Amazon Echo möglich machen, beim OEM. Hierbei wird ein Zukunftstrend ersichtlich. Die Plattformen, unter Kontrolle der OEMs, bleiben weiter bestehen, allein schon um Qualität und Sicherheit der Anwendungen gewährleisten zu können. Jedoch werden Ideen und Technologien von Drittanbietern und Entwicklern gezielt integriert, um das Serviceangebot signifikant zu erweitern. In dieser Walled Garden Umgebung, vergleichbar mit dem Prinzip von Apple und dem Apple Store, werden fremde Inhalte angeboten – diese werden jedoch vom OEM auf Qualität geprüft und verwaltet.
Voraussagen zufolge sollen bis 2017 mehr Internet of Things (IoT) Geräte auf dem Markt sein, wie Mobiltelefone. Die direkte Kommunikation des Automobils mit seiner Umwelt wird auch ein wichtiger Schritt in Richtung des autonomen Fahrens sein und einen großen Beitrag zur Smart City leisten können. Wenn Autos in Zukunft mit anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren, können Unfälle vermieden werden. Durch Kommunikation mit Ampeln und Parkleitsystemen werden Staus und Herausforderungen bei der Parkplatzsuche deutlich besser koordiniert. Ein aussagekräftiges Beispiel aus der Praxis bietet die traditionelle Parkhausschranke. Wo gerade kleine Menschen sich heute noch regelmäßig die Schulter verrenken, beim Versuch diese zu öffnen, kann das Connected Car der Zukunft direkt mit der Schranke kommunizieren. Diese verbindet sich mit ihrem Backend um das Fahrzeug zu authentifizieren und autorisieren und dem Fahrer wird Zugang zum Parkhaus gewährt, wenn er seine Kreditkarte hinterlegt hat, um anfallende Gebühren darüber abzubuchen.
Diese neue Technologie bringt selbstverständlich auch Herausforderungen mit sich, die es für die Automobilhersteller zu adressieren gilt. Die wichtigsten Punkte werden mit Sicherheit Cyber Kriminalität, Datensicherheit und Datenmissbrauch sein. Frei nach der Devise „whatever can be hacked, will be hacked“ besteht hier eine große Notwendigkeit zur Sicherheit, da im Straßenverkehr durch mögliche Hackerangriffe nicht nur Daten oder Geld geklaut werden können, sondern Mitmenschen erheblich in Gefahr gebracht werden.
Deshalb bilden sich schon heute Allianzen, die nach Aussagen eines Hacker Panels vor nur einem halben Jahrzehnt kaum denkbar gewesen wären. Die OEMs gehen gezielt mit Berufshackern und Bug Suchern in den Dialog und engagieren diese, Lücken und Gefährdungen im System zu finden. Diese Partnerschaften sind notwendig, damit Sicherheitslücken in der CarIT gefunden und geschlossen werden können, bevor die „bad guys“ sie finden und erheblichen Schaden anrichten können.
Auch die Datenmenge wird eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Daher gilt es, die Speicherung und vor allem Verarbeitung der Massen an Daten effektiver zu gestalten. Wo wir heute noch von generierten Daten im Megabyte Bereich sprechen, die problemlos zur Verarbeitung an ein Backend kommuniziert werden können, wird von einer Entwicklung hin zu Gigabyte Datenmengen im Connected Car ausgegangen. In nicht allzu ferner Zukunft des autonomen Fahrens werden Autos Datenmengen im Terabyte Bereich produzieren, welche es zu speichern, auszuwerten und zu nutzen gilt.
Die Tier-1- Lieferanten als starker Partner der Connected Cars
Dieses breite Feld an Entwicklungen liefert gerade auch für Tier-1-Lieferanten gute Chancen.
Wie am Beispiel Bosch oder Continental und deren eigener Connected Car Lösungen ersichtlich wird, gibt es gerade bei OEMs im unteren und mittleren Marktsegment ebenfalls Möglichkeiten sich als Tier-1-Lieferant im IT geprägten, sich wandelndem Ökosystem der Automobilindustrie stark zu positionieren, indem eigene Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden.
Auch die Möglichkeit zur direkten Kommunikation über die Telematik mit kritischen Teilen im Automobil birgt außerordentliche Chancen. Durch das Erhalten von Daten zur Wirkungsweise und der Fehleranfälligkeit der eigenen Komponenten ist es den Tier-1-Lieferanten möglich, durch Feedbackschleifen zwischen dem Auto, den Ingenieuren und dem Aftersales Team ihre Produkte kontinuierlich zu verbessern und somit sukzessive Fehlerquellen auszuschalten. Auch defekte Teile können über diese Daten frühzeitig erkannt und eine Reparaturempfehlung kann an den Fahrer gegeben werden, bevor die Komponente vollständig ausfällt. Darüber hinaus können Ersatzteile zum konkreten Bedarfszeitpunkt zur komfortabelsten Werkstatt geschickt und Wartezeiten für den Kunden verringert werden.
Aufbauend auf dem Connected Car wird gerade auch die Entwicklung im Bereich autonomes Fahren für die Tier-1-Lieferanten zunehmend interessant. Besonders in der Sensorik bestehen einige vielversprechende Aussichten. Außerdem wird ein geeignetes ADAS System zum Verarbeiten und Analysieren von Daten lokal im Auto immer wichtiger. Wie bereits erwähnt, bewegen wir uns beim autonomen Fahren auf Datenmengen im zweistelligen Terabyte Bereich täglich zu. Diese gilt es allerdings innerhalb von Millisekunden lokal im Auto zu verarbeiten, auszuwerten und zur Steuerung des Fahrzeugs über die entsprechenden Steuergeräte einzusetzen. Auf Basis aktueller Technologien sehen wir eine Verarbeitung dieser Mengen generierter Daten über ein Backend als nicht realistisch an.
Durch die enorme Signifikanz des Connected Cars in der Zukunft, ist es wichtig für Tier-1- Lieferanten an der derzeitigen Marktentwicklung teil zu haben und die eigenen Möglichkeiten bestmöglich auszuschöpfen.
Die Entwicklung des Connected Car 1.0 zum Connected Car 2.0 sowie die Herausforderungen für Tier-1 Lieferanten und OEMs im Überblick:
Dem Connected Car steht noch eine tiefreichende Veränderung und Weiterentwicklung bevor und wird die OEMs und Tier-1-Lieferanten verändern.
Vernetzte Autos sind nur ein Teil der Revolution des Marktes, die gerade stattfindet. Welche anderen Trends die Automobilbranche erwarten und welche Chancen und Herausforderungen diese mit sich bringen, steht im NTT DATA Whitepaper Automotive 4.0.