Omnichannel zählt definitiv noch nicht zu den Buzzwords der deutschen Finanzindustrie, aber es taucht immer häufiger im Kontext von Digitalisierung, Kundenerwartung oder „Customer Journey“ auf.
Was ist Omnichannel eigentlich?
Ganz einfach gesagt, ist Omnichannel die nächste Stufe des Multikanalvertriebs, welche viele Unternehmen als integratives Multichannel Management bezeichnen. Die einzelnen Vertriebskanäle – Filiale, Telefon, Internet oder Mobile – werden nicht mehr nur nebeneinander eingesetzt, sondern sind miteinander verbunden. So ermöglicht Omnichannel den nahtlosen Übergang von einem Kanal in den anderen, sprich ich rufe beim Call Center an, um mich über Ratenkredite zu informieren, gehe danach in die Filiale, wo der Berater bereits Bescheid weiß und mir zeigt, wie ich den Kreditantrag in meinem Online Profil ausfüllen kann. Dies mache ich dann zu Hause und die finale Rückmeldung erhalte ich per SMS auf mein Handy. Omnichannel steht somit für die nahtlose Unterstützung des Kaufprozesses und wenn der Kunde dies wünscht, über verschiedene Kanäle hinweg.
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Abbildung 1: Darstellung Single, Multi-, Cross und Omnichannel
Was treibt Banken in Richtung Omnichannel?
Die Abstimmung und Integration der Vertriebskanäle ist natürlich auch für unsere Banken ein Thema. In Zusammenarbeit mit der Munich Business School hat NTT DATA eine Analyse durchgeführt, welche das standardisierte Retailkundengeschäft im Hinblick auf Omnichannel untersucht hat. Im Detail wurden die Themen Kundensegmentierung, Vertriebskanalstrategie, Organisationsstruktur und IT-Systeme unter die Lupe genommen.
Die Banken sehen sich im Bereich Omnichannel durch verschiedene externe Faktoren unter Zugzwang gesetzt. Die Margen der standardisierten Produkte fallen geringer aus und der Kunde kann mithilfe des Internets Preise immer einfacher vergleichen. Alles in allem hat das Internet viele Kunden selbstständiger, aber auch anspruchsvoller gemacht. Der sogenannte „Connected Customer“ ist „always on“ und zeitliche sowie räumliche Grenzen verschwinden zunehmend. Kunden erwarten schlichtweg mehr.
Nun zu den Ergebnissen der Umfrage:
Die befragten Banken waren sich einig: „Eine digitale Transformation ist notwendig!“. Viele von ihnen stecken sogar schon mitten drin.
Alle benannten Omnichannel als eines der Themen, welches definitiv auf dem Umsetzungsplan steht. Was konkret im Zuge der Omnichannel-Projekte umgesetzt werden soll, war aber vielen nicht ganz so klar. Auch die Frage nach den Verantwortlichkeiten hat einige Institute vor Herausforderungen gestellt: Ist Omnichannel ein Thema des CIO, des Marketing-Leiters oder doch besser des Vertriebsleiters? Hier waren die befragten Banken sich nicht einig, stimmten jedoch in Summe dafür, dass Omnichannel ein übergreifendes Thema ist, welches als unternehmensweites Projekt aufgesetzt werden sollte.
Ein Blick in die einzelnen Bereiche vermittelt einen sehr guten Eindruck über die gegenwärtige Lage bei den Banken:
Kundensegmentierung
Die Institute segmentieren ihre Kunden vorrangig anhand von soziodemografischen Faktoren, wie Alter, Einkommen, Vermögen oder Beruf. Allerdings waren sich alle Befragten einig: Eine Segmentierung nur anhand von soziodemografischen Faktoren ist nicht mehr ausreichend, da das Kaufverhalten der Kunden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, die in der Regel unabhängig von Einkommen oder Beruf sind. Sie kennen dies vielleicht von sich selbst. Manchmal entscheiden Sie sich rein aus Gewohnheit für die Filiale oder rein aus Bequemlichkeit für das Internet.
Folglich sollten Banken weitere Kriterien heranziehen, welche es ermöglichen das Kaufverhalten, die sogenannte Customer Journey, zu verstehen. Hier bieten sich Segmentierungskriterien, wie Lebensstil, Hobbies, Risikoorientierung oder technische Versiertheit an. Eine weitere Maßnahme ist das Sammeln von Transaktionsdaten, wie zum Beispiel Klickraten aus dem Internet oder Bewegungsdaten aus der Filiale. Einige der befragten Institute würden sehr gern andere Kriterien heranziehen, allerdings war dies aufgrund von rechtlichen oder technischen Einschränkungen bisher nicht möglich.
Organisationsstruktur
Bei vielen Banken ist die Filiale immer noch der primäre Kanal, der die meiste Aufmerksamkeit im Unternehmen genießt. Zwischen den einzelnen Vertriebskanälen herrscht zum Teil ein reger Wettbewerb, unter anderem unterstützt durch die Inzentivierung der einzelnen Mitarbeiter.
Langfristig werden sich die Banken weg von einer Filial-zentrierten Organisation hin zu einer Kunden-zentrierten Organisation entwickeln. Die befragten Banken sind bereits ein gutes Stück des Weges gegangen und haben in einem ersten Schritt eine zentrale koordinierende Einheit geschaffen, welche sie unterstützt, alle Vertriebskanäle gleich zu behandeln. Diese Abteilung steuert die Kanäle und trifft bestimmte Entscheidungen zentral über alle Kanäle hinweg.
Vertriebskanalsteuerung
Viele der Leistungsindikatoren werden momentan nur für die Filiale gemessen und ausgewertet. Hierbei liegt der Fokus vor allem auf quantitativen Kriterien, wie Anzahl der Abschlüsse oder Höhe der Abschlüsse. Weniger Anwendung finden qualitative Kriterien wie Kundenzufriedenheit.
Gegenwärtig sind viele Banken nur in der Lage den Vertriebskanal zu honorieren, in dem der Vertrag abgeschlossen wurde, alle anderen beteiligten Kanäle werden nicht berücksichtigt, da dies bisher technisch nicht vorgesehen war. Hier ist der Ansatz, Kriterien zu identifizieren und zu messen, welche die Customer Journey widerspiegeln und alle beteiligten Vertriebskanäle honorieren. Konkret heißt das, Kriterien zu definieren, welche sowohl einzelne Kanäle bewerten, als auch kanalübergreifend den Erfolg messen.
Einige Unternehmen in anderen Industrien, wie der Einzelhandelsindustrie sind hier schon weiter als viele Banken und haben den KPI „Multichannel Sales“ geschaffen. Dieser misst den Umsatz, wenn mehr als ein Vertriebskanal im Kaufprozess beteiligt ist.
IT-Systeme und Datenmanagement
Die befragten Banken bestätigten, dass Stand heute die IT-Systeme nicht komplett integriert sind und sie unter einer heterogenen IT-Landschaft leiden. Weiterhin wurde deutlich, dass gegenwärtig nicht alle Vertriebskanäle Zugang zu den gleichen Daten haben. Der Call Center Agent kann gegebenenfalls nicht die gleichen Daten über den Kunden einsehen wie der Filial-Mitarbeiter. Die Gründe liegen auf der Hand: Die IT-Landschaften der Banken sind historisch gewachsen und Banken trauen sich nur ungern an die komplexen Altsysteme heran. Nichtdestotrotz ist es Ziel der Banken: langfristig nur eine Sicht auf den Kunden zu haben. Kurzfristig unterstützen sie dieses Ziel durch Investitionen in eine zentrale Datenbank sowie ein zentrales CRM Tool, welches für alle Vertriebskanäle zugänglich ist.
Wie weit sollen unsere Banken gehen und wo fangen Sie an?
Die Interviews haben maßgeblich dazu beigetragen, die gegenwärtige Lage in den vier genannten Bereichen zu analysieren. Die große Frage ist nun: Omni-Channel Banking ja oder nein?
Banken sollten nicht um jeden Preis eine Omnichannel-Strategie einführen. Das „Wie“ und „Warum“ ist sehr wichtig. Nicht jede Bank muss eine komplett integrierte Omnichannel-Bank sein. In diesem Zusammenhang ist die Empfehlung, zwei Bereiche im Detail zu analysieren: die Strategie und das Kundensegment.
Im Hinblick auf die Strategie sollten Banken klären, wie sie sich im Markt positionieren und welche Strategie sie verfolgen wollen. Was für eine Bank wollen sie eigentlich sein?
Im Hinblick auf das Kundensegment sollten Banken klar definieren, wer ist ihr Zielkunde und wie möchte dieser mit Bankdienstleistungen in Kontakt kommen? Möchte er überhaupt zwischen Kanälen hin und her springen oder präferiert er den gesamten Kaufprozess in einem Kanal abzuschließen?
Im Rahmen dieser Analyse wird relativ schnell deutlich, dass es keine „One-fits-all“ Omnichannel-Strategie gibt, da jede Bank für sich entscheiden muss, wo genau sie anfängt und welche Projekte sie umsetzt. Wichtig ist, dass es widerspiegelt, was der Zielkunde möchte und erwartet.