Wie die E-Mail nach fast 40 Jahren langsam aber stetig verdrängt wird
Im Mai 2009 hat Google das Produkt Wave vorgestellt und hatte großes damit vor. Es war der Versuch mit einer Plattform zur Kommunikation und Zusammenarbeit den Nachfolger der E-Mail zu kreieren und die E-Mail abzulösen. Dabei setzte man auf offene Protokolle, offene Schnittstellen und stellte die Lösung weitgehend als Open Source zur Verfügung. Ein Ziel dabei war es, E-Mail mit Instant Messaging zu verschmelzen und das Thema Echtzeit in den Vordergrund zu stellen.
Doch bereits im August 2010 kündigte Google das Ende von Wave an und im April 2012 wurde die Plattform abgeschaltet. Die Akzeptanz der Nutzer wollte sich nicht einstellen – ein Risiko, das Google allerdings sehr bewusst eingegangen ist. Denn man kann durchaus sagen, dass Wave seiner Zeit voraus war. Viele der verwendeten und damals neu eingeführten Techniken sind heute längst Standard in vielen online Kollaborations- und Kommunikationstools. Doch am Ziel (auch wenn es sicherlich nur eine bewusst provokante Formulierung des Marketings war), die E-Mail abzulösen, ist Google gescheitert.
Die mehr als 40 Jahre alte (und veraltete) E-Mail Technik war und ist also nicht tot zu kriegen. Ganz im Gegenteil sogar, seit 2014/2015 erleben Newsletter ein regelrechtes Revival. Abonnentenzahlen und Lesequoten steigen stetig und Newsletter sind (wieder) zu einem wichtigen Marketinginstrument geworden.
Dennoch, acht Jahre nachdem Google antrat, um die E-Mail abzulösen und dem Revival des Newsletters in den letzten Jahren, verdichten sich die Zeichen, dass die E-Mail bald in Teilen abgelöst werden kann. Schuld daran sind Instant Messenger, wie Facebooks Messenger und WhatsApp, Apples iMessage oder Googles Allo – um nur ein paar zu nennen. Während Messenger aus der privaten Kommunikation kaum noch wegzudenken sind, halten sie auch immer mehr Einzug in die B2C-Kommunikation. Ob als Supportkanal, Informationskanal oder auch Sales-Kanal.
Während Support per Messenger in der Kundenkommunikation durchaus schon gemacht wurde, kam die große Veränderung im Jahr 2015. Der Konzern Facebook deklarierte den Messenger als eigenes Produkt und Eigenmarke, trennte ihn aus dem Produkt Facebook und stellte eine eigene Plattform bereit. Dadurch ergaben sich zahlreiche neue Anwendungsfälle für den B2C Bereich.
Schon die ersten Showcase-Anwendungsfälle, die 2015 auf der F8 Konferenz gezeigt wurden, verdeutlichten das Potential in der Kundenkommunikation in Hinblick auf Marketing, Service und Sales. Ab Minute 32 wurde in der Keynote der erste Case gezeigt:
Die Vorteile für den Einsatz von Instant Messengern liegen auf der Hand. Man ist näher dran am Kunden, es ist persönlicher als eine Mail. Inhalte lassen sich interaktiv und multimedial gestalten, es können Apps integriert werden. Out of the Box hat man eine Desktop- und eine Mobile-Lösung. Alles passiert in Echtzeit und in einem Dialog. Die Anwendungsfälle sind vielfältig: Eingehende Bestell- und Versandbestätigungen mit multimedialer und interaktiver Darstellung, direkte Änderungs- oder Ergänzungsmöglichkeit einer Bestellung durch ein Gespräch oder einen Chat, Hotels buchen, Taxis rufen, Geld überwiesen, Bestellungen aufgeben etc. – um nur einige zu nennen.
Nur ein Jahr später, auf der F8 im Jahr 2016 – um wieder beim Beispiel Facebook Messenger zu bleiben – wurde die Messenger Plattform dann um Bots erweitert. Diese vergrößern das Spielfeld der Möglichkeiten für die B2C-Kommunikation immens.
Der Instant Messanger WhatsApp war schon früh beliebt bei lokalen Einzelhändlern, wie Apotheken oder auch Kleidungsgeschäften. Schließlich musste man den Kunden nur dazu bringen, die Telefonnummer des Unternehmens ins Adressbuch aufzunehmen und schon war man auf WhatsApp verknüpft. Auch News Portale nutzten WhatsApp bereits früh als Kanal. Die AGBs von WhatsApp sahen bisher keine kommerzielle Nutzung vor, aber auch WhatsApp wird jetzt mehr und mehr für die B2C-Kommunikation geöffnet und entsprechende Tools dafür bereitgestellt.
Der Einsatz von Instant Messenger in der Kundenkommunikation bietet nicht nur Vorteile, sondern birgt ebenso Nachteile – und zwar zumindest einen äußerst relevanten. Anders als bei E-Mails gibt es keinen einheitlichen Standard. Jeder Messaging-Anbieter hat sein eigenes Ökosystem. Will ich meinen Kunden also moderne und interaktive Kommunikation bieten, muss ich mich also für eine Plattform entscheiden oder den teureren Weg gehen und mehrere Messenger bedienen. Aber selbst dabei ist es nahezu unmöglich, allen gerecht zu werden, denn im Messaging gibt es immer wieder sehr erfolgreiche Exoten oder Nischenanbieter. Dazu kommen ständig neue Spieler auf den Markt die zumindest versuchen, gegen die großen Ökosysteme anzutreten.
Genau das ist auch der Grund, warum die E-Mail einfach nicht tot zu kriegen ist – es ist ein Standard den alle nutzen, der unabhängig vom Anbieter eingesetzt werden kann und somit ebenso unabhängig ist vom Kampf der Plattform-Giganten.
Dennoch, die E-Mail ist veraltet! Sie bietet nicht den Grad der Interaktion und Multimedialität, den man heute bieten kann und den Kunden erwarten. Darunter leidet nicht nur der Unterhaltungswert, sondern auch der Informationsgehalt und vor allem die Usability. Wer Kommunikation vereinfacht und beispielsweise Bestellprozesse schlicht bequemer macht, steigert Kundenbindung und somit das Vertriebspotential hinsichtlich Cross- und Upselling. Was das Problem der verschiedenen Plattformen angeht, so ist ein deutlicher Trend zur Konsolidierung zu erkennen, so dass man mit wenigen Plattformen schon eine Vielzahl von Kunden erreichen kann. Die Kundenkommunikation wird sich zwangsläufig mehr und mehr in Richtung Messaging verschieben.